



Artwork Review: “Torso im Sturm” – Eine grafische Studie von LTj
Werk: Torso im Sturm
Künstler: LTj
Medium: Bleistift auf Papier
Format: A3
Signatur: „LTj 2021“
Version: Originalzeichnung, später auch digitalisiert (B/W), im Retro-Dot-Stil sowie als Acryl-Gemälde interpretiert
Vergleichswerk: Tomorrow Finland (Digital Version B/W, Retro dotted, Acrylfassung)
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Ersteindruck:
„Torso im Sturm“ ist ein kraftvolles Beispiel für LTjs charakteristischen Mix aus klassischer Formstudie und abstrahierter Emotion. Die Linienführung wirkt roh, suchend – als würde der Künstler in jeder Bewegung nach der Wahrheit des Moments greifen. Der männliche Torso, halb realistisch, halb stilisiert, scheint sich aus dem Hintergrund herauszuschälen, als wäre er Teil eines aufbrausenden Traums. Die Schraffuren sind expressiv, beinahe rhythmisch, und verleihen dem Bild eine stürmische Energie.
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Komposition und Technik:
Der Oberkörper des Mannes wirkt plastisch durch den Wechsel aus sanfter Modellierung und abrupten Kontrasten. Besonders auffällig ist die angedeutete Halsöffnung – beinahe ein surrealer Schnitt, der eine Art inneren Riss symbolisieren könnte. Die Augen des Mannes sind hellwach, fast schneidend, als ob sie gegen den Strich des Hintergrunds blicken.
Die Haarstruktur ist punktuell angedeutet, während die Schultern und Brustmuskeln durch parallele Schraffuren hervortreten. Der Hintergrund besteht aus einem dichten Strichfeld – wellenartig, verwirrend, gleichsam akustisch. Es scheint, als wollte LTj die Figur nicht in einen Raum setzen, sondern in einen Zustand – in einen Wind aus Gedanken und Emotionen.
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Digitale Version (B/W, Retro dotted):
In der digitalisierten Version dieses Werkes – speziell in der Retro-Dot-Fassung – erhält die Zeichnung eine neue, beinahe plakative Wirkung. Die Dots erinnern an Pop-Art-Ästhetik, doch bei LTj dienen sie nicht der Ironie, sondern einer nostalgischen Textur. Der Torso wirkt in dieser Version wie aus einem alten anatomischen Schulbuch herausgelöst – fremd und vertraut zugleich. Der digitale Schwarz-Weiß-Kontrast betont die scharfen Übergänge und die starke Licht-Schatten-Inszenierung.
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Vergleich mit „Tomorrow Finland“:
Im Vergleich zu „Tomorrow Finland“ – das in seiner digitalen Schwarz-Weiß-Fassung futuristisch und beinahe gläsern wirkt – ist „Torso im Sturm“ körperlicher, verletzlicher. „Tomorrow Finland“ arbeitet mit klaren, glatten Flächen, fast architektonisch. Dort ist der Mensch eingebettet in ein technoides, fast posthumanes Szenario. Bei „Torso im Sturm“ hingegen steht der Mensch allein, roh, körperlich, tastend – ohne Maske.
In der Retro-Dot-Version beider Werke erkennt man LTjs Gespür für die Überlagerung von Zeiten und Techniken: Während „Tomorrow Finland“ wie ein Plakat aus einer dystopischen Zukunft wirkt, erscheint „Torso im Sturm“ wie ein Echo aus einer klassischen Vergangenheit, durch ein modernes Raster gebrochen.
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Acrylversion:
Die Acrylfassung von „Torso im Sturm“ bringt Farbe ins Spiel – vor allem kühle Blautöne, die das Thema des „Sturms“ weiter vertiefen. Die plastische Wirkung wird durch pastose Aufträge und leicht metallische Akzente verstärkt. In dieser Version wirkt der Torso wie eine Statue aus einem versunkenen Atlantis – eingefroren in Bewegung, entrissen aus dem Rauschen der Tiefe.
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Fazit:
„Torso im Sturm“ ist ein vielschichtiges Werk, das je nach Medium neue Facetten offenbart. Im Original roh und unmittelbar, wird es in der digitalen Retro-Version zur zeitlosen Studie und in der Acrylfassung zum mythischen Monument. Im Vergleich mit „Tomorrow Finland“ zeigt sich LTjs Bandbreite: vom poetischen Körperbild bis zur entmenschlichten Zukunftsvision. Beide Werke verbindet eine subtile Spannung zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Form und Auflösung – typisch für LTjs Werk zwischen Zeichnung, Musik, und Zeitkritik.
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